Derzeit hat es den Anschein, dass die Bauzinsen keinen Halt mehr kennen. In den vergangenen zwei Monaten verteuerte sich das Baugeld im Schnitt um circa einen Prozentpunkt. Die Zinsen für eine 10-jährige Baufinanzierung liegen aktuell bei durchschnittlich 3,99 Prozent effektiv pro Jahr. Für eine 15- bis 20-jährige Laufzeit liegt der Wert bei 4,16 Prozent (Stand 19. Oktober 2022). Das ist ein Wert, den die Bauzinsen seit gut elf Jahren nicht mehr erreicht haben. Das bedeutet, dass es diejenigen, die in 2023 einen Baukredit erhalten möchten, es schwerer haben werden als in der Vergangenheit.
Mehr Kreditausfälle in der Zukunft
Nicht nur in der Industrie kommt es aufgrund steigender Energiekosten und Lieferengpässen zu Problemen, sondern auch im Immobiliensektor könnte es zu Problemen kommen. Da es sich beim Immobilienmarkt um einen nachlaufenden Indikator handelt, zeigt sich die wirtschaftliche Abschwächung erst verzögert. Was die Zinsen für die Bau- und Immobilienkredite angeht, so stiegen diese innerhalb von neun Monaten von einem auf 3,11 Prozent (Stand September 2022).
Dass die Bauzinsen derart nach oben schießen, ist auf die hohe Inflation zurückzuführen. Sofern die Teuerung weiterhin hoch bleibt, werden die Zinsen für die Immobilienkredite weiter steigen. Die Europäische Zentralbank ist aufgrund des hohen Preisdrucks zum Handeln gezwungen, sprich die Zinsen werden weiter steigen. Für diejenigen, die inmitten eines Finanzierungsprozesses stecken, kann das zu Schwierigkeiten führen.
So wird von Experten mit den ersten Ausfällen im Gewerbe- und Wohnsegment in den nächsten sechs bis neun Monaten gerechnet, doch mehr werden es dann erst in 18 bis 24 Monaten.
2023: Wird es schwieriger, einen Baukredit zu erhalten?
Wer in 2023 eine Baufinanzierung erhalten möchte, der wird es schwerer haben als in der Vergangenheit. Es gibt viele Faktoren, die neben der eigenen Bonität die Vergabe eines Baukredits beeinflussen, wie die Inflation, die steigenden Bauzinsen oder die Explosion bei den Baupreisen. Während diese Kriterien in der Vergangenheit kaum eine Rolle spielten, so wir ihr Einfluss im kommenden Jahr nach aller Voraussicht bei der Baufinanzierung um einiges größer sein.
Experten erwarten, dass die Banken auf den Energieverbrauch der Immobilie achten und diesen genauer unter die Lupe nehmen werden. Sprich es wird auf den energetischen Zustand der Immobilie beachtet und bewertet. Unter Umständen kann es dazu kommen, dass für den Kauf eines Hauses oder einer Wohnung mit guten Energie-Kennzahlen bessere Darlehenskonditionen geboten werden als für eine Immobilie, bei der es sich um einen „Energiefresser“ handelt. In diesem Zusammenhang weisen die Bänker auf die Nachrüstpflichten hin. Diese kennen viele Käufer nicht, aber die Banken lassen diese in die Bewertung mit einfließen.
Einflussfaktor „Gesetzliche Vorgaben“ für die Kreditvergabe
Die Bautätigkeit und somit die Vergabe von Baukrediten werden unter anderem auch durch gesetzliche Vorgaben beeinflusst wie z. B. die Solarpflicht oder das Gebäudeenergiegesetz. Aber auch weitere politische Vorgaben haben eine direkte Auswirkung beispielsweise auf die Grundstückspreise. Dazu zählt bspw. die Förderung des Geschosswohnungsbaus.
Bei der Vergabe eines Baukredits stehen die Banken vor einer großen Herausforderung. Denn sie müssen vor dem Hintergrund der steigenden Energie- und Baupreise, den unterbrochenen Lieferketten und dem Fachkräftemangel die Umsetzung dieser Vorgaben beurteilen – ggf. sogar einpreisen. Experten erklären, dass es so gut wie unmöglich ist, diese Dynamik auf alle Bereiche des Immobilienmarktes zu übertragen. Darauf weist schon allein das Hin und Her bei der Bundesförderung für effiziente Gebäude hin.
Baufinanzierung 2023: So wird zukünftig überprüft
Die Bänker setzen sich mit allen Themen auseinander wie Bau- und Finanzpolitik, Inflation, Energiepreise oder dem Krieg in der Ukraine, denn sie sind relevant, wenn es um die Kreditvergabe geht. Denn schließlich müssen Banken ebenfalls refinanzieren und somit wird es zukünftig wohl dazu kommen, dass die Banken erweiterte Daten erheben – vor allem im energetischen Bereich.
Aber es gibt nicht nur diese eher „weichen“ Kriterien, sondern auch konkrete aufsichtsrechtliche Vorgaben, wie die EBA-Guidelines. Dabei handelt es sich um die Leitlinien für Kreditvergabe und -überwachung durch die European Bank Authority plus der MARisk (Mindestanforderungen für das Risikomanagement der Finanzinstitute und Banken). Durch diese Richtlinien, die zur Umsetzung anstehen, werden den Banken mehr Vorgaben gemacht, wenn es darum geht, die Risiken zu minimieren und die Risikofrüherkennung zu verbessern. Hinzu kommt, dass die Nachhaltigkeitsaspekte berücksichtigt werden sollen.
Dadurch wird das zur Verfügung stehende Einkommen im Rahmen der Bonitätsprüfung geschmälert. Selbst Finanzierungen ohne Eigenkapital oder die 110-Prozent-Finanzierungen werden im kommenden Jahr kritischer betrachtet und es wird seltener zu einer Bewilligung kommen. Bauherren und Immobilienkäufer, die dennoch diesen Weg gehen möchten, die müssen dann mit einem höheren Darlehenszins rechnen oder zumindest die Tilgung höher als üblich ansetzen. Des Weiteren wird die Hinterlegung der eigenen Immobilie als Sicherheit aufgrund der stagnierenden zum Teil sogar sinkenden Immobilienpreise nicht mehr als das Pfand angesehen, was es einmal war.
Wird sich in 2023 ein Baukredit noch lohnen?
Noch immer ist die eigene Immobilie ein Traum und dieser kann Wirklichkeit werden – selbst wenn das Umfeld schwieriger wird. Nach wie vor ist Wohnraum gefragt und dringend benötigt – während die Baugenehmigungen rückläufig sind. Wer seine Traumimmobilie gefunden hat, der muss die zur Verfügung stehenden finanziellen Möglichkeiten gründlich prüfen.